...auf das Auftreten von Osteochondrose (OC) beim Fohlen - von Annette Wilke und Erich Bruns
Als Teilprojekt des interdisziplinären Forschungsvorhabens zur Osteochondrose verfolgte diese Arbeit das Ziel, umweltbedingte Faktoren, die die Entstehung von Osteochondrose möglicherweise begünstigen, zu identifizieren. Das Wachstum der Fohlen wurde dargestellt und anschließend zur Häufigkeit von Osteochondrose in Beziehung gesetzt. Weiterhin wurde
– im Sinne einer Bestandsaufnahme – die Fohlenhaltung in Niedersachsen beschrieben und im Hinblick auf die Entstehung von Osteochondrose analysiert. Besonders nachhaltig wurde der Frage nachgegangen, ob der Züchter über das Management der Fohlenaufzucht (insbesondere der Bewegungsintensität während der ersten Monate) die Häufigkeit des Auftretens von Osteochondrose beeinflussen kann.
In der Untersuchung konnte gezeigt werden, dass durch eine häufige und ausgiebige Bewegung der Fohlen insbesondere die Frequenz von Osteochondrose im Fesselgelenk, aber auch von Osteochondrose-gesamt deutlich gesenkt werden kann. Hinsichtlich der Vermeidung von Osteochondrose muss daher die Empfehlung gegeben werden, den Fohlen ein möglichst hohes Maß an Bewegung zu gewähren.
Insbesondere eine nicht angemessene Bewegung kann – bedingt durch die unregelmäßige und kurzfristige Hochbelastung der Gliedmaßen – den Gelenkknorpel möglicherweise in einer Weise beeinträchtigen, die die Entstehung von Befunden im Fesselgelenk begünstigt. Diese Situation tritt insbesondere bei wenig bewegten Fohlen auf, denen nur gelegentlich die Möglichkeit zum Traben und Galoppieren gegeben wird. Die Fohlen springen und bocken in Folge des angestauten Bewegungsdrangs, was zu häufigen Hyperextensionen der Fesselgelenke führt. Weiterhin fehlt bei dieser Art von Bewegung jegliche Aufwärmphase. Die stoßdämpfende Funktion des Gelenkknorpels ist jedoch nur dann gegeben, wenn ihm durch zunächst mäßige Be- und Entlastung Gelegenheit zur Adaptation gegeben wird. Im Rahmen der sog. „Kaltstarts“ hingegen werden die unvorbereiteten Gelenke höchsten Belastungen ausgesetzt, was negative Auswirkungen auf das Knorpelgewebe erwarten lässt. Bei auf der Weide gehaltenen Fohlen wird der Gelenkknorpel durch die kontinuierliche, aber mäßige Bewegung permanent trainiert. So ist bei diesen Fohlen eine risikolose Belastung der Gliedmaßen möglich.
Der Züchter sollte seinen Fohlen folglich immerwährend eine Fläche zur Verfügung stellen, die die erforderliche Bewegung ermöglicht. Eine Nutzung von Boxen mit permanent zur Verfügung stehenden, witterungsunabhängigen Auslaufmöglichkeiten ist hier ebenso denkbar wie die Aufstallung in Bewegungsboxen (s.u.). So kann den Fohlen Bewegung durch Eigenmotivation bzw. spielerischen Antrieb durch Artgenossen ermöglicht werden, was einen gleichmäßigen und somit risikominimierten Gebrauch der Gliedmaßen in Verbindung mit einem reduzierten Auftreten von Osteochondrose zur Folge hat.
Das generelle Anstreben eines saisonalen Abfohltermins (April / Mai) reicht als alleinige Maßnahme nicht aus. Der hieraus resultierende Bedeckungszeitpunkt (Mai / Juni) liegt in der zweiten Hälfte der offiziellen Decksaison von Anfang Februar bis Mitte August. Angesichts der seit Jahren bei knapp über 60 Prozent stagnierenden Abfohlrate erscheint das Streben der Züchter nach Nutzung der gesamten Decksaison und dem damit verbundenen frühen Bedeckungszeitpunkt nur verständlich. Auch unter dem Aspekt der Vorteile von früh geborenen und deshalb körperlich weit entwickelten Fohlen / Pferden bei Schauen oder Körungen gegenüber später geborenen und somit weniger weit entwickelten Fohlen / Pferden werden Züchter von einem frühen Bedeckungstermin ihrer Stuten nicht absehen. Weiterhin ist ein später Abfohltermin noch keine Garantie für ein möglichst großes Maß an Bewegung - denn letztlich unterliegt der mögliche Weidegang im April / Mai doch in erheblichen Maße dem Einfluss der Witterung.
Schlußbetrachtung
„Aus ethischer Sicht ist der physischen wie psychischen Gesundheit des Pferdes unabhängig von seiner Nutzung oberste Bedeutung einzuräumen. Wer auch immer sich mit dem Pferd beschäftigt, übernimmt Verantwortung für das ihm anvertraute Lebewesen und muss dessen Haltung den natürlichen Bedürfnissen anpassen“ FN, 1999.
Wird Pferdezucht und –haltung als Erwerbsgrundlage (traditionell landwirtschaftliche Züchter) betrieben, so wird sie vorwiegend unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet. In den ständig größer werdenden Kreisen derer, die sich ohne erklärte Gewinnabsicht mit Pferdezucht und –haltung beschäftigen, spielen finanzielle Erwägungen häufig eine eher untergeordnete Rolle. Die Erwartungshaltung geht vielmehr dahin, durch die Investitionen an Zeit und Geld ideelle Werte zu schöpfen. In beiden Fällen sind Konflikte mit den oben genannten Grundsätzen vorprogrammiert, denn unabhängig von der kommerziellen oder nicht-kommerziellen Ausrichtung ist ein relativ hoher Anteil von Erkrankungen, die den späteren Gebrauch der Zuchtprodukte als Reitpferde begrenzen oder unmöglich machen, zu beobachten.
Durch den kausalen Zusammenhang mangelnder Bewegung der Fohlen zu Osteochondrose, die den Wert der späteren Reitpferde mindert, kann eine direkte Verbindung zwischen Haltung, Gesundheit und wirtschaftlichem Erfolg hergestellt werden.
Wie u.a. aus den im Rahmen des OCD-Projektes erhobenen Daten zur Haltung und Bewegung hervorgeht, gibt es offenbar eine nicht unerhebliche Diskrepanz zwischen dem Wissen um eine artgerechte Pferdehaltung bzw. -aufzucht und dessen Umsetzung in der Praxis. Vergleicht man die vorgefundenen Einzelboxengrößen der Saugfohlen und ihrer Mütter mit den von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. bzw. dem damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELF) herausgegebenen Richtlinien, so wird deutlich, dass diesen oft nicht entsprochen wird. Hinsichtlich der Gruppenboxengröße ergibt sich ein geteiltes Bild: Zwei Betriebe stellten den Stuten mit Fohlen sog. Bewegungsboxen (Gruppenbox mit min. 12,5 m2 / Pferd bzw. Fohlen) zur Verfügung, die ein hohes Maß an Bewegungsfreiheit erlauben. Die übrigen Betriebe, die Gruppenhaltung betreiben, hielten oft nicht den von der FN geforderten Höchstbesatz an Pferden pro Fläche ein, was die Vorteile dieser Haltungsform wieder zunichte macht.
Die baulichen Gegebenheiten der traditionell landwirtschaftlichen Züchter stammen häufig noch aus der Zeit, als das Pferd mit den übrigen Nutztieren des Betriebes um Platz und Futter konkurrierte - was zum Teil auch heute noch so ist. Demzufolge unterlagen die Abmessungen der Pferdeboxen in erster Linie wirtschaftlichen Zwängen. Betriebe, die sich durch besonders großzügige Stallungen hervortun, werden zumeist aus Liebhaberei betrieben. Auch einige der Züchter, die das Nutzvieh abgeschafft und sich ganz der Pferdezucht gewidmet haben, verfügen nun über ausreichend Platz, um großzügig bemessene Pferdeboxen anbieten zu können.
Die Probleme hinsichtlich der unzureichenden Bewegung der Pferde treten fast ausschließlich in der Winterhaltung auf. Die aufgezeigten Schwierigkeiten ergeben sich vielfach aus einem Mangel an Arbeitskräften und / oder technischen Voraussetzungen während der Stallhaltungsperiode. Die Motivation der Züchter, ihren Pferden ausreichende Bewegung zukommen zu lassen, ist größtenteils gegeben. Häufig jedoch stehen die Zuchtstuten und Jungpferde in der Priorität des Zeitaufwands hinten an, da den vermarktungsfähigen Remonten / Reitpferden größte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Diejenigen, die eine Bewegung ablehnten, führten die Gefahr eines Unfalls durch zu große Aufregung im Auslauf als Begründung an - eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, denn durch den angestauten Bewegungsdrang aufgrund des selten gewährten Auslaufs passieren tatsächlich mehr Unfälle. Hier ist weitere Aufklärung unentbehrlich, denn nur eine optimale Umwelt lässt hinsichtlich Konstitution und Leistungsfähigkeit der Pferde ein bestmögliches Ergebnis erwarten. Die lange Zeitspanne zwischen „Haltungssünden“ und den daraus resultierenden Schäden erschwert das Erkennen dieses kausalen Zusammenhangs.
Es ist verwunderlich, dass einerseits so klare Einigkeit darüber besteht, dass Pferden Bewegung gewährt werden muss, andererseits aber die bestehenden Möglichkeiten innerhalb eines Betriebes nahezu als gegeben und mithin unveränderbar angesehen werden. Eine Veränderung der baulichen Gegebenheiten (Boxen / Auslaufmöglichkeiten) zur Erzielung einer am Optimum orientierten pferdegerechten Nutzungsmöglichkeit ist in der Regel kostenintensiv und arbeitsaufwendig. Mit kritischem Blick sowohl für das Notwendige als auch das Machbare kann jedoch oft eine Verbesserung der Haltungsbedingungen erreicht werden, ohne einen Komplettumbau vorzunehmen. Hier sind die Praxistipps der Fachberatungen für Pferdebetriebe eine wertvolle Hilfe.
Betrachtet man ein Haltungssystem für Zucht- bzw. Aufzuchtpferde unter ökonomischen Gesichtspunkten, so soll es im wesentlichen folgenden Grundsätzen genügen: Es muss kostengünstig und wenig arbeitsintensiv sein, um eine möglichst hohe Gewinnspanne bei der Vermarktung der Nachkommen erzielen zu können. Zudem soll die Haltungsform gesund für die Pferde sein, damit auch in dieser Beziehung einer Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolges vorgebeugt wird.
Die vorgenannten Grundsätze werden in der derzeit hauptsächlich praktizierten Einzelboxenhaltung der Zuchtstuten nur zum Teil erfüllt. Sie ist eine relativ aufwendige und teure Haltungsform. Die Stuten müssen mindestens zweimal täglich gefüttert und regelmäßig bewegt werden, für jede Stute ist eine Einzelbox mit Tränke zu errichten. Zudem ist der für das Wohlbefinden wichtige Sozialkontakt nur eingeschränkt gegeben.
Eine extensivere Haltung von nicht oder nur selten gearbeiteten Pferden erscheint sinnvoll, weil die Pferde eine nicht mit zusätzlichem Aufwand an Zeit und Arbeit verbundene Bewegung erhalten. Zudem können sie im Herdenverband Sozialkontakte pflegen und sich vermehrt klimatischen Einflüssen aussetzen. Die Gefahr der Verletzung ist eher gering, da die Gruppenzusammensetzung im Züchterstall in der Regel konstant ist und die Stuten im Sommer ohnehin gemeinsam auf der Weide laufen. Ideal wäre eine Gruppenhaltung mit zusätzlichem wetterfesten Paddock, den die Stuten permanent zur freien Verfügung haben. Das System ist in der Anschaffung aufgrund des reduzierten Materialaufwands kostengünstiger als eine Einzelboxenhaltung.
Unter einer extensiven Haltung wird hier nicht das häufig praktizierte Sich-Selbst-Überlassen in einer mehr oder weniger verwahrlosten Umgebung verstanden, sondern vielmehr eine kontrollierte und mit Verstand betriebene Haltungsform für Pferde, die ihren natürlichen Bedürfnissen angepasst ist. Eine Haltung in Einzelboxen erfüllt diese Ansprüche nur zum Teil, was eine erhöhte Arbeitsintensität z.B. durch ausgiebige Bewegung (Reiten, Weide) oder auch häufiges Füttern erfordert.
Dabei sind jedoch eine Reihe von Grundsätzen zu beachten, um eine Gruppenhaltung erfolgreich betreiben zu können. So soll u.a. der Unterstand mindestens zwei Eingänge haben, damit er nicht durch ein ranghohes Tier blockiert wird. Ferner müssen genügend Futterplätze vorhanden sein. Des weiteren ist ein Überbesatz zu vermeiden. Eine praktikable Lösung zum Einfangen der Stuten muss individuell gefunden werden (Treibgang, Einsatz von Krippenfutter). Generell stellt die Gruppenhaltung jedoch eine echte Alternative zur derzeitigen Einzelboxenhaltung dar, und mit ein wenig Geschick und Innovationsfreude ließe sich so die Situation vieler Zuchtstuten entscheidend verbessern – und infolgedessen bei gesünderen Stuten eine verlängerte Lebensdauer und gesteigerte Fruchtbarkeitsleistung und damit einhergehend betriebswirtschaftlicher Gewinn erwarten. Der Erfolg einer Haltungsform ist in erster Linie von der Bereitschaft des Betriebsleiters abhängig, mit dem jeweiligen System pferde- und marktgerecht arbeiten zu wollen. Wenn Einzelfälle eine optimierte Gesamtlösung scheinbar unmöglich machen, ist für diese eine gesonderte individuelle Lösung anzustreben. Als Beispiel sei die einzelne unverträgliche Stute einer größeren Stutenherde genannt, die spezieller Behandlung bedarf. Der Mehrheit der Herde sollte aufgrund der Schwierigkeiten eines einzelnen Pferdes die Vorteile einer Gruppenhaltung nicht verwehrt werden.
Pferdezüchter und alle, die sich mit Pferden beschäftigen, wissen um die Notwendigkeit, dass den Pferden Bewegung gewährt werden muss. Dennoch wird insbesondere bei Zucht- und Aufzuchtpferden - trotz zunehmender Sensibilisierung für dieses Thema - allgemein akzeptiert, dass im Fall von mangelnden Voraussetzungen auf eine Bewegung ganz oder teilweise verzichtet wird.
Zukunftsweisend ist die Initiative der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V., die bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für Pferdebetriebe mit unterschiedlichen Schwerpunkten (z.B. Zuchtbetrieb, Pensionsbetrieb, Ferienbetrieb, Turnierstall) festgelegt hat und den Betrieben nach erfolgreicher Überprüfung der fachgerechten Pferdehaltung und der Sachkenntnis des Betriebsleiters eine Kennzeichnung anbietet. Es wäre gut, wenn sich diese Kennzeichnung im Sinne einer Positiv-Auslese in Kürze weiter etablieren und auch in den Auktionskatalogen der Zuchtverbände wiederfinden würde, um die Käufer mit qualitativen Informationen über den Zucht- oder Aufzuchtbetrieb des Pferdes zu versorgen. Ein Gebrauch der gekennzeichneten Herkunft eines Pferdes zu Werbezwecken durch den Verband erhöht die Attraktivität der Kennzeichnung für den Züchter. Hinsichtlich der Vergabepraxis der Kennzeichnung sollte in Erwägung gezogen werden, statt des bisher üblichen Prinzips (gekennzeichnet /nicht gekennzeichnet) wie bei der Kennzeichnung einer Reitschule Wertungspunkte (eins bis fünf) zu vergeben. Möglicherweise können bei noch ausreichenden Basisanforderungen auch gerade die suboptimal geführten Betriebe zur Teilnahme angeregt werden, um ihnen dann weitere Anreize und konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Betriebes zu geben.
Bei aller Kritik an den z.T. ungenügenden Haltungsbedingungen soll jedoch die Tatsache nicht in Vergessenheit geraten, dass viele Züchter mit großem Engagement und persönlichem Einsatz bei der Sache sind, um ihren Stuten bestmögliche Bedingungen zu bieten.
Die Bereitschaft mit verhältnismäßig geringem Investitionsaufwand eine bestmögliche und damit pferdegerechtere Haltungsform zu schaffen, gewährleistet eine Kostenreduzierung im Aufwand bei gleichzeitiger kalkulierbarer Gewinnoptimierung. Jede Form von Gewinn - materieller oder auch ideeller Art - ist langfristig nur mit gesunden Pferden erzielbar. Da die Aufzucht- und Haltungsbedingungen die Gesundheit von Pferden in hohem Maße beeinflussen, ist ihnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.