logo header modul

bergahorn toedliche gefahr

Die Erkrankung wurde erstmals 1984 in Schottland beschrieben (wahrscheinlich ist sie aber schon länger bekannt: 1939 erste Berichte aus England). Sie ist weltweit verbreitet (Australien, USA, Kanada, Europa). 1995 erkrankten 115 Pferde in Deutschland, 111 starben. Von 2000 – 2008 sind ca. 750 Pferde weltweit daran gestorben. Die atypische Myopathie tritt oft zyklisch auf (z.B. 2004/05, 2009/10 in Deutschland). Im Herbst 2009: 371 Fälle in Europa. Es kommt zu einer sehr schnellen Muskeldegeneration mit oft tödlichem Ausgang innerhalb von 72 h bei hohe Letalität (> 90%).

Bei der atypischen Weidemyopathie werden in der Regel mehrere Pferden mit Weidegang zeitgleich festliegend auf der Weide angetroffen. Die Differentialdiagnose ist der Botulismus, allerdings kennzeichnen sich die Pferde mit AM durch deutlich erhöhte Muskelenzymaktivität (CK und AST) im Blut. Anders als bei der leistungsinduzierten Rhabdomyolyse (engl: exertional rhabdomyolysis) ist bei der AM die ‚slow-twitch‘ oder Typ 1-Muskulatur betroffen. Da Herz- und Atemmuskulatur hauptsächlich aus Typ1-Muskulatur besteht, kommt es bei der AM auch schnell zum Atemstillstand oder zu Arrhythmien durch Myokardschädigungen und zum Tod des betroffenen Pferdes.

Die AM trat bisher vor allem in Norddeutschland auf, aber auch in benachbarten Ländern wie Belgien, den Niederlanden, Nordfrankreich, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz. Im letzten Jahr wurde die AM in Österreich beschrieben. Epidemiologisch gesehen werden verschiedene Rassen und Altersgruppen (v.a. <3 Jahren) betroffen. Betroffene Pferde sind häufig in mässigem Fütterungszustand und auf abgegrasten Weiden. AM kommt v.a. im Herbst und Frühjahr, seltener auch im Winter vor. Im Sommer wurden keine Fälle berichtet. Des Öfteren scheint ein Kälteeinbruch mit Frost oder ein Wetterumschwung voraus zu gehen.

In 2008 beschrieben Westermann et al. dass die mitochondriale Enyzmaktivität der Acyl-CoA Dehydrogenase im Muskel bei Pferden mit AM deutlich abgenommen war. Eine Intoxikation mit einem damals noch unbekannten (Umwelt)Gift lag nahe.

frucht bergahornDer Pferdemuskelexpertin Stephanie Valberg aus Minnesota (2012) gelang der Nachweis von Hypoglyzin A (Aminosäure, metabolisiert zu toxischem Metabolit MCPA) in Pferden mit AM, und die Vermutung dass dieses Toxin eine Rolle auch bei der europäischen AM spielt, wurde jetzt durch eine belgische Gruppe nahegenug bestätigt (Votion et al. 2013). Hypoglyzin A kann sich in den Samen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus) (siehe Bild) in geringeren Mengen auch in anderen Ahornarten anhäufen. Wie es zur Anhäufung kommen kann ist derzeit noch ungewiss.


Die belgische Gruppe unter Leitung von Votion warnen vor Beweidung von Weiden auf denen sich der Bergahorn befindet. Pferde könnten die Samen aufnehmen, allerdings wird vermutet dass dies nur der Fall sein wird wenn keine weiteren Futtermittel zur Verfügung stehen.

Pathogenese:
Hypoglycin A bindet an Acyl-CoA und hemmt damit ein wichtiges Enzym der beta-Oxidation im Fettstoffwechsel (Acyl-CoA-Dehydrogenase) in den Mitochondrien (Kraftzentren der Zellen).

Es entwickelt sich eine multiple acetyl-CoA-dehydrogenase deficiency (MADD). Aufgrund dessen kann der oxidative Fettsäureabbau nicht mehr ablaufen und die Energiebereitstellung ist gestört. Betroffen sind dabei v.a. die aerob (oxidativ) arbeitenden Muskelfasern (Typ I).

blaetter bergahornDiese finden sich u.a. in der Haltemuskulatur des Pferdes. Es kommt zur vermehrten Speicherung von Fetten in diesen Muskelfasern. Die Pferde zeigen generalisierte Schwäche, Steifheit, Festliegen, Koliksymptome, Schwitzen, erhöhte Herz- und Atemfrequenz und Myoglobinurie (rot-brauner Harn).
Der Sauerstoffpartialdruck kann als prognostischer Parameter genutzt werden (Volton et al., 2007).

Diagnose:
Klinischer Verdacht, stark erhöhte Muskelwerte ↑↑ (Creatinkinase > 100.000 IU/l), wobei die Höhe der CK keine prognostische Aussagekraft hat, Myoglobinurie, Muskelbiopsien (Schultermuskulatur, Atemmuskulatur post mortem), Hyperglykämie, Hypertriglyceridämie, (gestörter Fettstoffwechsel, erhaltener KH-Stoffwechsel der Mitochondrien), mehrere Tiere betroffen, Degeneration v.a. Typ 1 (aerob) Muskelfasern (Herz, Zwerchfell → Kreislaufversagen), Zenkersche Degeneration (hyalinschollig), Hypocalcämie, Herzmuskelschädigung (Troponin I, T ↑), Kardiomyopathie (Herzversagen), Nierenversagen durch Myoglobin (Pigmentnephropathie).

  • Prophylaxe:
    Bei kalten Temperaturen Aufstallen (v.a. nachts), besonders Jungtiere,
    Zufüttern von Kraftfutter, Mineralfutter, Heu guter Qualität (damit bei abgegrasten Koppeln die Pferde nicht Laub, Rinde, Totholz anknabbern),
    Laub entfernen,
    es sollten keine Bergahornbäume in der Nähe der Koppel stehen,
    Koppeln mit Kalkstickstoff düngen.

Symptomatische Behandlung:
Als Sofortmaßnahmen wird das Aufstallen der Pferde in weich eingestreuter Box, Vermeidung von Stress, Infusion und Entzündungshemmer empfohlen. Pferde von Koppel entfernen, Infusion: z.B. NaCl (0,9%), Dextrose (5%), evtl. Lidocain (0,05 mg/kg/h), NSAID (Flunixin-Meglumin 1,1 mg/kg i.v. oder Firocoxib 0,1 mg/kg i.v. doppelte loading dose zu Beginn verwenden), Vit. E (5000 IE p.o. 1 x tägl. für 500 kg Pferd).

  • Mögliche Differentialdiagnosen:
    Kolik,
    Vergiftung,
    Rhabdomyolyse,
    Botulismus,
    Grass sickness,
    Hypocalcämie,
    Hypomagnesiämie

Weitere Informationen unter:
www.myopathieatypique.fr/en/la-maladie/publications/

Votion DM, van Galen G, Sweetman L, et al. Identification of methylenecyclopropyl acetic acid in serum of European horses with atypical myopathy. Equine Vet J. 2013 (epub ahead of print)

Valberg SJ, Sponseller BT, Hegeman AD, et al. Seasonal pasture myopathy/atypical myopathy in North America associated with ingestion of hypoglycin A within seeds of the box elder tree. Equine Vet J. 2013 Jul;45:419-26.

Westermann CM, Dorland L, Votion DM, et al. Acquired multiple Acyl-CoA dehydrogenase deficiency in 10 horses with atypical myopathy. Neuromuscul Disord. 2008 May;18:355-64.

Reed SM, Bayly WM, Sellon DC. Equine internal medicine. Third edition, Saunders Elsevier, St. Louis, USA, 2010



 

zurück zur Übersicht

Diese Website nutzt Sitzungs-Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können.