Laut einer Statistik von Dr. Blobel...
… gibt es bei Stuten mit entsprechenden Bewegungsmöglichkeiten kaum Geburtskomplikationen, während sie bei der Stallhaltung signifikant häufiger sind. Von Natur aus ist das Pferd ein Steppentier, welches ständig auf Nahrungssuche ist. Dabei nimmt es jeden Ast, altes Gras und Laub auf und muss dabei aufgrund des Mangels an Fressbarem ständig suchen und sich in allen Gangarten bewegen. Fressen zur Deckung der Energie und Fressen als Beschäftigung, um sich dabei ständig in Bewegung zu halten, ist nach heutigen Erkenntnissen der entscheidende Anteil für eine gesunde Zucht und Aufzucht.

 

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Nach einer Statistik, in der über 6.680 Pferde zwischen drei bis fünf Jahren ausgewertet wurden, sind nur 37 Prozent (2600 Pferde) im Gliedmaßenbereich gesund. 41 Prozent der Pferde haben an den Beinen mehr oder weniger von der physiologischen Norm abweichende Veränderungen. Somit ist nicht nur der Wert bei einem eventuellen Verkauf deutlich gemindert, auch für die Nutzung als Reit- und Fahrpferd macht sich dies als Leistungsbegrenzung bemerkbar. Das bedeutet, das Pferd erleidet bereits in der Wachstumsphase und in der Aufzucht enorme Schädigungen. Leider wird der Gesundheitszustand der Pferde meistens viel zu spät überprüft. Der Züchter oder Aufzüchter erkennt oft viel zu spät, dass er sein Pferd falsch und damit als bereits latent krankes Tier aufgezogen hat. Erst beim Besitzerwechsel und zu Beginn des Einsatzes eines Pferdes zeigt sich, dass es aufgrund von Fehlern und Mängeln in der Wachstumsphase als Sportpferd nicht oder nur beschränkt geeignet ist. Neben genetisch bedingten Zuchtmängeln wie zum Beispiel die Osteochondrose in den Gelenken und Wachstumsfugen der Gliedmaßen sind vorwiegend Haltungsfehler die Ursache für latent kranke Pferde. Diese Haltungserkrankungen haben ihren Ursprung bereits in der tragenden Stute.

Die tragende Stute
Pferde benötigen Platz zum richtigen Liegen, zum Ausstrecken und vor allen Dingen zum Wälzen. Wenn sich die tragende Stute in einer Box befindet, müssen diese Voraussetzungen erfüllt sein. Das bedeutet, eine Einzelbox sollte eine Größe von mindestens 16 bis 20 m2 und eine ausreichende Verbindung zum Tageslicht haben. Licht ist für die gesunde Entwicklung des Fohlens bereits im Mutterleib von entscheidender Bedeutung. Tragende Tiere haben häufig ein Unwohlbefinden und wollen deshalb zeitweilig auf soziale Kontakte verzichten. Stuten, die sich in einer Stallgruppenhaltung befinden, möchten sich hin und wieder zurückziehen. Dafür sollten ausreichende Möglichkeiten vorhanden sein. Pferde haben einen riesigen Verdauungsapparat, der in der Lage ist, energiearme Nahrungsmittel in hochwertige Energien umzuwandeln. Dieses komplizierte Verdauungssystem ist auf eine ausreichende Bewegung des Tieres angewiesen, um die Transportmöglichkeiten von dabei entstehenden Methangasen und anderen Abfallprodukten (Pferdeäpfel) zu verbessern. Dafür ist es erforderlich, dass das Pferd sich in allen Gangarten (vor allem auch im Galopp) bewegen kann und ausreichende und geeignete Walzmöglichkeiten hat. Das Fohlen, welches in den voluminösen Darmmassen heranwächst, benötigt Bewegungsmöglichkeiten in Form von Wenden, Strampeln und „Platz schaffen“ in der Gebärmutter. Wichtig ist: Das Fohlen in der Stute erfährt nicht nur eine Entwicklung im Schlaf oder Halbschlaf, sondern es wird durch Galopp, Wälz- und andere Bewegungen der Stute ständig wachgerüttelt. Somit schafft es sich auch in der Gebärmutter und zwischen den Futtermassen des Verdauungsapparates Platz für seine körperliche Entwicklung. Doch dazu muss eine Stute täglich ausreichend Bewegung haben. Das ist nur auf einer Weide oder einem ausreichend großen Paddock (mindestens 300 m2) und in Gruppenhaltung möglich. Falls ein geeigneter Unterstand vorhanden ist, ist die klimaunabhängige Robusthaltung für die tragende Stute die geeignetste Haltungsart. Für alle Pferde ist es jedoch zwecks Reduzierung von Wurminvasionen wichtig, die Pferdeäpfel regelmäßig (täglich) zu beseitigen, besonders in den Wintermonaten.

stuten02Durch die Robustgruppenhaltung von tragenden Stuten haben diese eine regelmäßige Bewegung in allen Gangarten. Dadurch findet eine bessere Durchblutung der Gebärmutter, der Placenta (Eihäute) statt, die Krankheiten beim Embryo und beim Fohlen vor der Geburt verhindern. Die Bewegung der Stute trainiert natürlich ihren Kreislauf, das Herz und die Blutgefäße. Es gibt vor der Geburt erheblich weniger Ödeme im Bauch und Gliedmaßenbereich. Die Stute ist durch das Training und das ständig wache Fohlen wesentlich besser für die Geburt vorbereitet. Dennoch müssen tragende Stuten auch in der Robusthaltung täglich kontrolliert werden. Eine regelmäßige Wurmkontrolle (alle zwei Monate) und eine anschließende entsprechende Wurmbekämpfung sind wichtig. Tragende Stuten dürfen keinesfalls pauschal entwurmt werden, denn auch Wurmmittel sind giftig. Selbstverständlich – auch bei der Robusthaltung – sind die vorbeugenden Schutzimpfungen.

Tragende Stuten müssen im Interesse des Züchters gegen Influenza, Herpes und Tetanus wirkungsvoll geschützt werden, sonst gibt es Aborte und krank geborene Fohlen. Das Futter muss strukturreich sein. Diesen Bedarf decken sie an Baumrinde und Ästen. Tragende Stuten haben einen höheren Protein, Mineral- und Vitaminbedarf. Aus diesem Grunde ist dieser Ausgleich durch Zufütterung zu organisieren. Ein gutes und vielseitiges Pferdeheu ist das richtige Zusatzfutter (also keine Monokulturen). Mineralstoffe, mit allen Spurenelementen, können per Leckstein verabreicht werden.

Die Trinkmöglichkeiten müssen einwandfrei und hygienisch sein. Eine Grabentränke sollte wegen der Botulismusgefahr nicht eingesetzt werden. Die Geburt erfolgt am besten im Stall oder einem sauberen Unterstand. Stuten ziehen sich gern aus der Gruppe zurück, um beim Fohlen allein zu sein. Dennoch ist eine Kontrolle ohne Störung bei der Geburt besonders wichtig.

Wichtig: Das Fohlen in der Stute erfährt nicht nur eine Entwicklung im Schlaf oder Halbschlaf, sondern es wird durch Galopp, Wälz- und andere Bewegungen der Stute ständig wachgerüttelt.

stuten03Das Fohlen
Ein Warmblutfohlen wiegt bei der Geburt etwa 60 kg. Seine Gliedmaßen bestehen aus vielen Knorpeln, die noch nicht fixiert sind. Die Beine sind biegsam und verformen sich sehr leicht. Das geschieht besonders dann, wenn das Fohlen keine Bewegung hat. Die Gewichtszunahmen verlaufen eminent schnell. So verdoppelt sich das Gewicht innerhalb der ersten sechs Wochen. Auch der Atmungsapparat, der für den späteren Einsatz genauso wichtig ist wie der Bewegungsapparat, muss sich bereits vom ersten Lebenstag an durch tägliche Bewegung entfalten und stabilisieren. Pferde und so auch frischgeborene Fohlen haben eine hervorragende Thermoregulation. Sie werden mit jedem Wetter und Boden fertig. Durch die aktive Bewegung vom ersten Tag an verhindert man Erkrankungen des Atmungsapparates. Tägliches Galoppieren des Fohlens beatmet die gesamte Lunge. So können sich Viren, Pilze und Bakterien nicht ohne weiteres ansetzen. Auch die Elastizität der Lungen wird erheblich verbessert. Die Festigkeit der Knochen und die Stabilität der Sehnen und besonders des Knorpels wird durch kurze, schnelle und langsame Bewegungen deutlich gesteigert. Diese Bewegungsmöglichkeiten gibt es nur in der freien Natur. Mangelhafte oder unregelmäßige Bewegung ruft Krankheiten und Fehler, besonders im Gliedmaßenbereich, hervor. In den ersten Lebensmonaten entstehen dadurch Chips in den Gelenken, dabei besonders in den Fesselgelenken.

Weitere Folgen sind Verformungen der Gliedmaßen und Strahlbeinveränderungen, die sich zum größten Teil nicht wieder zurückentwickeln, sondern sich mindestens als Materialfehler, aber auch häufig als Leistungsbegrenzung für den Züchter und Reiter bemerkbar machen. Das Fohlen benötigt zu seiner Gesunderhaltung vom Tag der Geburt an tägliche Bewegung, da besonders die Spielphasen in der Gruppe ein Übergewicht verhindern. Die monatliche Zunahme von zehn Prozent und mehr ruft sonst Gliedmaßen- und Wirbelsäulenerkrankungen hervor. Außerdem werden soziale Kontakte mit anderen Fohlen und auch anderen Pferden in der freien Bewegung erheblich gefördert. Nicht vergessen werden darf, auf jeden Fall Entwurmungs- Programme bei allen in der Gruppe befindlichen Pferden durchzuführen, da junge Fohlen aus physiologischen Gründen sehr häufig Pferdeäpfel aufnehmen. Ratsam ist, im ersten Lebensjahr der Fohlen alle vier Wochen eine Wurmbekämpfung durchzuführen. Impfprogramme sind ab dem fünften Monat in jedem Fall erforderlich. Um das Fohlen richtig zu managen, sind Röntgenaufnahmen der Gliedmaßen bereits im siebenten bis neunten Monat ratsam. Stehen sich bei dieser wichtigen Untersuchung Mängel heraus, ist die Haltung auf jeden Fall zu überprüfen (Fütterung, Bewegung, Bodenverhältnisse). Nehmen Sie dabei fachliche Beratung in Anspruch.
Dr. Karl Blobel, Fachtierarzt für Pferde

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